Sonntag, 27. April 2008

Wenn Flatrate keine Flatrates sind - Oder der Irrsinn der Flatrates

Im April 2008 sind Internet-Flatrates ein grosses Thema in den deutschen Medien (z.B. auf Welt Online, in der TAZ, auf heise online, in der FAZ) . Zahlreiche Anbieter haben Kunden, die wirklich ohne Einschränkungen telefonieren, aus dem Vertrag geworfen.

Die Anbieter werben mit "unlimitiert telefonieren" oder "Telefonieren zum monatlichen Pauschalpreis". Mit solchen Sprüchen kann man Kunden gut gewinnen und zu einem Wechsel überreden. Nutzen die Kunden dann den beworbenen Service intensiv, so versucht der Anbieter, die Kunden wieder loszuwerden. Sofort heisst es, der Kunde missbrauche den Service.

Wenn nun jemand z.B. 50 Stunden im Monat mit der Familie im Ausland telefoniert, handelt es sich um einen Missbrauch. Bei den 50 Stunden handelt es sich übrigens nur um 8 Prozent der zur Verfügung stehenden Zeit. Der Kunde müsste also noch zwölfmal mehr telefonieren, um wirklich unlimitiert zu telefonieren.

Der ganze Marketing-Gag mit Flatrates ist eine grosse Frechheit. Wenn man eine Flatrate bucht, dann sollte man auch soviel telefonieren können wie man möchte. Ansonsten hat man keine Flatrate: Dann sollte der Anbieter auch nicht mehr mit einer Flatrate werben dürfen. Statt "unlimitiert telefonieren" heisst es dann eben "50 Stunden-Ins-Ausland telefonieren"-Paket. Dies wäre dann nur ehrlich und die Kunden wüssten, was sie wirklich kaufen.

Bereits im Januar habe ich zu den Flatrates eine Erklärung geschrieben, die ich an dieser Stelle wiederhole: Doch wer will überhaupt eine Flatrate? Die Flatrate ist vor allem für Kunden interessant, die bisher mehr bezahlt haben als die Kosten der Flatrate. Willkürlich angenommen eine Gesprächs-Flatrate kostet 100 Franken pro Monat. Wer bisher 500 Franken, 300 Franken, 120 Franken pro Monat ausgegeben hat, findet dies ein tolles Angebot. Aber was ist mit den vielen Kunden, die bisher 10, 20 oder 40 Franken ausgegeben haben. Für diese Kunden - und diese sind in der Mehrzahl - ist eine solche Flatrate uninteressant. Die Vieltelefonierer, die von der Flatrate wirklich profitieren, führen zu einer gewaltigen Reduktion des Umsatzes und auch des Gewinnes der Anbieter. Dazu kommt, dass die Gebühren, die Swisscom von den Alternativ-Anbietern verlangt, sich nicht ändern.

Das Anbieten einer solchen Flatrate kann nicht aufgehen und dann werden Klauseln eingeführt. Und wie die Erfahrungen im Ausland zeigen, gilt die Flatrate dann nur noch, wenn man z.B. 300 Minuten (das sind winzige 5 Stunden pro Monat) telefoniert. Aber dabei handelt es sich dann um keine Flatrate mehr.

Noch schwieriger wird die Ganze Situation, wenn man sich heute mal eine Festnetz-Rechnung ansieht. Das wirklich teure sind nicht die Anrufe innerhalb des Festnetzes, sondern Anrufe auf Handynetze. Also wäre es sinnvoll, auch Anrufe auf Handynetze in die Flatrate zu integrieren. Solange Swisscom, Orange und Sunrise weiterhin 20 bis 25 Rappen pro Minute von Festnetz-Anbietern verlangen, ist dies jedoch nicht wahrscheinlich und schlichtweg nicht bezahlbar.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
www.comparis.ch

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das wirklich teure, sind die Anrufe ins Mobilnetz: Aus diesem Grund, telefoniere ich schon seit Jahren nicht mehr mit dem Festnetz ins Mobilnetz! Anrufe von meinem Handy ins Mobil(-eigene) Netz kommen mir viel günstiger... Für den Anruf in andere Netze nutze ich M-Budget Mobile. Das M-Budget Mobile lag aus diesem Grund auch gleich neben dem Festnetzanschluss :-)

Flatrate: da bin ich mit dir einverstanden. Warum nicht gleich wie beim Internet... Wobei, es da auch Provider gibt die "Dauerdownloader" bannen :-(

Am meisten nerven mich aber die, meist gut im Kleingedruckt versteckten, Verbindungsaufbaugebühren!!

Seit ca. einem halben Jahr habe ich keinen Festnetzanschluss mehr und telefonieren über VoIP. Wenn mich Jemand erreichen will, ruft er mich aufs Handy an... evtl. kann ich ihn dann über VoIP zurückrufen.

Gruss, Manu

Ralf Beyeler hat gesagt…

Hauptproblem - im Gegensatz zum Internet - ist, dass hohe Gebühren anfallen, wenn man in andere Netze telefoniert. Verbindungen im Internet in andere Netze kosten zwar auch etwas, aber in der Regel wenig. Die Kosten, die die Provider monatlich an Swisscom für die Benutzung der letzten Meile bezahlen müssen, sind wesentlich höher.

Grüsse



Ralf Beyeler

Anonym hat gesagt…

Ich finde, Flatrates werden allgemein etwas falsch aufgefasst. Es meint zwar schon, unbeschränkt zu fixen Kosten, jedoch sollte das aus meiner Sicht nicht heissen: "Ich bezahle das, also benutze ich es auch, egal wie sinnvoll das ist". Diese Mentalität geht mir persönlich ziemlich gegen den Strich, denn wenn alle Kunden so denken würden, gäbe es auch gar keine Flat-Angebote (was schade wäre, denn die Kostenkontrolle ist dann nicht mehr so gut gegeben, ob sich das Angebot trotzdem für den Kunden rechnet ist eine andere Frage).
Ich persönlich denke, dass der Sinn einer Flatrate ist, dass man den Dienst so viel benutzen kann, wie man ihn braucht (!) und nicht, weil man dafür bezahlt hat, das hingegen zu verifizieren steht wieder auf einem anderen Blatt.
Aber allgemein, solche Blutsauger machen diese zum Teil tollen Angebote total zunichte, was sich bei jedem dem Angebot normal verhaltenden Kunden dann negativ entgegenwirkt.
Deshalb finde ich eigentlich gewisse Fair-Use Klauseln angebracht, sofern bei normalem Verhalten man fast garantiert noch in diesem Bereich drin ist (das Tele2 Stundenabo für 39Rp steht hier mMn auf Messers Schneide).
Auf heise gab es vor ein paar Tagen die Meldung, dass Vodafone eine Handy-Flat in alle Mobilfunknetze anbietet, mit einem Fair-Use Limit von 250h / Monat, also über 8h / Tag!
Das kann jetzt wirklich keine Privatperson erreichen, aber (schätzungsweise) 9 von 10 Usern kommentierten das als Abzocke, Kundentäuschung und was da sonst noch alles für Wörter fallen. Und falls jemand trotzdem dieses Limit durch ein nicht missbräuchliches Telefonieverhalten schafft (kommerzielle Nutzung ist da vertraglich ausgeschlossen), sollte der wohl eher zum Psychiater gehen anstatt zum Rechtsanwalt, weil Vodafone ihm den Vertrag gekündet hat ;-) .

Ralf Beyeler hat gesagt…

@Struy: Ich habe eine ähnliche Meinung wie Du. Beim Surfen kann es ja noch sein, dass man sein Computer 24h laufen lässt, weil man eine Flatrate hat. Aber beim Telefonieren, denke ich das eher weniger. Ich denke, es ist sinnvoll, wenn man die Flatrate nutzt, weil man tatsächlich telefonieren will. 50 Stunden Telefonieren pro Monat finde ich jetzt noch nicht übermässig viel, das sind weniger als 2 Stunden pro Tag. Eine Familie, wo mehrere Familienmitglieder mit Verwandten, Bekannten oder auch Schulkollegen telefonieren, sind 50 Stunden schnell erreicht. Noch schlimmer finde ich Flatrates, wo im Kleingedruckten steht, dass man höchstens 5 Stunden pro Monat telefonieren darf. Dann sind es keine Flatrates mehr.

Grüsse



Ralf Beyeler