Montag, 14. April 2008

Grundverschluesselung: Streitgespräch in der Sonntags-Zeitung

Konsumentenschützerin und Politikerin In der gestrigen Sonntags-Zeitung erschien im Multimedia-Teil ein Interview zwischenSommaruga und die Geschäftsführerin des Branchenverbandes Swisscable Bolla.

Auf jeden Fall ein spannendes Interview.

Ich erlaube mir, hier einige Aussagen zu kommentieren:

Bolla: Verschlüsselt man einen Fernsehkanal bei der Ausstrahlung, kann man bestimmen, an wen man Inhalte sendet. Dies erlaubt es, besser auf Kundenbedürfnisse einzugehen.

Wahrscheinlich bin ich zu blöd für die Argumente der Swisscable. Bei der Vorlage um die Grundverschlüsselung geht es um die Programme, die Kabelnetz-Anbieter kostenlos empfangen und nicht um Pay-TV-Programme. Wie will der Kabelanbieter dank der Grundverschlüsselung besser auf Kundenbedürfnisse eingehen? Die Kabelnetz-Anbieter wissen noch nicht mal, welche Programme die Kunden sehen.

Bolla: Man darf Settop-Box und Verschlüsselung nicht in denselben Topf werden. Die Box ist dazu da, digitale Inhalte in ein Fernsehbild umzuwandeln. Die Verschlüsselung setzen Kabelfirmen ein, um Fernsehen nach Zuschauerwünschen auszuliefern: Fussball für den Sportfan, den türkischen Sender für die Einwandererfamilie aus Istanbul

Was soll das Ganze? Eine Verschlüsselung braucht man nur, wenn man ein Pay-TV ausstrahlt. Dies wäre auch beim Verbot der Grundverschlüsselung möglich. Irgendwie habe ich das Gefühl, Frau Bolla hat Digital-TV, Grundverschlüsselung und Pay-TV noch nicht verstanden.

Bolla: Die Zukunft gehört dem Digitalfernsehen und der Verschlüsselung.

Wirklich? Das glaube ich nicht. Solange Digitalfernsehen verschlüsselt wird, verweigern die Kunden so lange es geht, Digital-TV.

Bolla: TV-Zuschauer wollen immer stärker mit Inhalten interagieren und Programme dann sehen, wenn es ihnen passt, nicht zu vorgeschriebenen Sendezeiten.

Alle diese Funktionen sind auch möglich, wenn die Kabelnetz-Betreiber TV-Programme ohne Grundverschlüsselung ausstrahlen. Die Kunden können dann sogar noch von besseren Geräten und weiteren Funktionen wie z.B. grösserer Festplattenspeicher oder eingebauter DVD-Recorder.

Bolla: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle Kabelfirmen verschlüsselt senden.

Das glaube ich nicht, aber wir werden sehen.

Bolla: Erst wenn man weiss, wer auf der anderen Seite der Leitung sitzt, kann man die Möglichkeiten des Digitalfernsehens nutzen und interaktive Dienste bieten.


Auch hier kein Problem: Die TV-Programme sendet man ohne Grundverschlüsselung. Kunden, die dann die ach so tollen neuen Dienstleistungen nutzen wollen, benötigen dann für diese eine Box des entsprechenden Kabelnetz-Anbieters. Und wer nur fernsehen will, diese Sendungen dafür z.B. auch auf DVD aufzeichnen will oder auf den Computer speichern will, benutzt andere Endgeräte.

Bolla: Die meisten Menschen kommen mit dem technischen Wandel heute nicht mehr zurecht. Das will die Cablecom mit der Verschlüsselung auch erreichen. Wenn bei uns jemand mit einem Settop-Box-Problem anruft, können wir ihm nur helfen, wenn wir sein Gerät kennen.

Selbst mit Grundverschlüsselung wäre dies möglich: Kunden, die eine Cablecom-Box kaufen wollen, können weiterhin eine solche kaufen. Daneben besteht die freie Wahl. Wer im Media-Markt oder Interdiscount die Set-Top-Box kauft, wird von Cablecom keinen Support erhalten, sondern müsste sich an den Verkäufer wenden.

Zudem bin ich überrascht, denn meine Erfahrung ist, dass die Cablecom-Box sehr schlecht funktioniert und auch Cablecom teilweise mehrere Wochen benötigt, um ach so gross beworbene Features wie Serienfunktion - die nebenbei schlichtweg nicht funktioniert - zu erklären.

Bolla: Die Swisscom mag wenige Kunden haben. Aber die Firma ist für ihr aggressives Marketing bekannt.

Ich empfinde das Marketing von Cablecom als massiv aggressiver. Insbesondere wenn ich an all die Haustürverkäufer und Strassenverkäufer sowie Verkäufer in Läden denke.

Bolla: Dann könnten wir Angebote wie Filmbestellungen aus Online-Bibliotheken vergessen.

Sorry, aber dies ist einfach nur Schwachsinn. Ich kann nicht glauben, so etwas von der Geschäftsführerin eines Branchenverbandes zu lesen. Es geht darum, dass Programme, die Cablecom frei empfangen kann, ohne Verschlüsselung ausgestrahlt werden. Cablecom und die anderen Kabelnetz-Betreiber können selbstverständlich Online-Bibliotheken anbieten und diese Programme auch verschlüsseln. Der Kunde, der diese Dienstleistung nutzen will, benötigt dann eine entsprechende Box.

Ein Verbot wäre übrigens für die Entwicklung des ganzen Fernsehstandorts Schweiz verherrend.

Warum denn das? Das Gegenteil dürfte den Fall sein.

Ich finde die Argumentation der Swisscable enttäuschend und diese kann mich nicht überzeugen. Ich hoffe, die Politiker lassen sich nicht einseifen.

Die beste Aussage ist übrigens folgende:
Sommaruga: Warum gibt die Cablecom ihren Kunden nicht die Wahl? Wenn Ihr Dienst so wunderbar ist, wird ihn die Mehrheit der Kunden nutzen, und die anderen können ihre eigenen Geräte für den digitalen TV-Empfang kaufen oder sogar selber basteln.

Richtig, denn inzwischen sollte sich auch bis zur Cablecom und zur Swisscable durchgesprochen haben, wie schlecht ihre Set-Top-Boxen wirklich sind. Ich habe bisher noch nie ein so schlechtes Produkt gesehen wie Digital-TV von Cablecom.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
www.comparis.ch

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Inwiefern haben Sie hier Recherchen betrieben, bzw. woher nehmen Sie die Fachkenntnis, um hier zu argumentieren? Sie interpretieren die Grundverschlüsselung total falsch. Grundverschlüsselung ist nicht gleich Grundangebot. Aber ich denke die Fachleute wissen, worum es wirklich geht. Hier geht es nur um populistische Aussagen.

Ralf Beyeler hat gesagt…

Guten Tag

Sie können davon ausgehen, dass ich mich im Bereich Digitalfernsehen genügend auskenne und hier qualifizierte Bemerkungen machen kann.

Ich bin immer offen für Kritik, dann aber bitte in sachlicher Art und Weise?

Wie interpretieren Sie die Grundverschlüsselung?

Die Grundverschlüsselung ist nicht gleich Grundangebot, wo habe ich etwas anderes geschrieben. Um das Grundangebot auszustrahlen, ist keine Grundverschlüsselung notwendig. Für Pay-TV oder spezielle Kanäle hingegen ist eine Verschlüsselung sinnvoll, ja sogar notwendig.

Ich bin hier auch offen für Argumente für Fachleute? Welche Fachleute haben sich zum Thema geäussert? (ausser Cablecom und Swisscable, die mit der Vermietung von Set-Top-Boxen ein grosses Business sehen).

Wie gesagt, bitte kommen Sie mit Argumenten!

Grüsse



Ralf Beyeler

Anonym hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Beyeler

Ich entschuldige mich, falls mein vorhergehender Kommentar in irgendwelcher Weise nicht sachlich gewesen sein soll. An diesem Punkt möchte ich aber auch noch festlegen, dass ich hier als Privatperson schreibe und keinem der oben genannten Unternehmen Schützenhilfe geben möchte sondern einfach darauf aus bin, dass wir als Kunden mindestens durch Fachleute wie Sie vertreten werden und auf eine objektive und fundierte Recherche vertrauen dürfen. Wenn Sie schon Unterschriften sammeln, dann möchte ich mich auch darauf verlassen können, dass danach auch etwas passiert.

Sie schreiben, dass ich davon ausgehen darf, dass Sie genügend qualifiziert sind um Bemerkungen zu machen. Obwohl das steht hier auch nicht zur Debatte, da wir in der Schweiz alle das Recht auf freie Meinungsäusserung haben, egal ob Fachmann oder nicht. Inwiefern können Sie Ihren Lesern erklären, wie die DVB (Digital Video Broadcast) Technologie funktioniert und wo genau hier die Kryptologie sinnvoll ist bzw. was für eine Rolle die Konzessionen, regionalen Bestimmungen usw. hier spielen. Und ich frage hier nach Fakten, nich nach Ihrer persönlichen Meinung.

Da ich ja nun von Ihrer Fachkenntnis ausgehen darf, können Sie mir sicher erklären, was der Vorteil wäre, wenn Unternehmen wie Cablecom oder Swisscable die Grundverschlüsselung entfernen würden und allen Kunden den freien Zugang zu dutzenden verschiedenen CA-Modulen und DVB-Empfängern (-S, T- und -C) lassen würden, wäre dann das Problem gelöst, oder müsste ich mich als Kunde dann einfach anderen Fachleuten in ihren Fachgeschäften stellen, bei denen einer behauptet, "Sie empfangen in der Schweiz alles terrestrisch, bzw. über Sattelit oder Kabel". Ich würde Ihnen empfehlen, einmal in so einen Fachhandel zu gehen und sich beraten zu lassen.

Für uns Kabelfernseh-Kunden ist es wichtig, dass jemand mit Ihrer Qualifikation uns differenzierte und objektive Recherchen bietet und uns genau aufzeigt, was das Problem ist und nicht nur Wortfetzen aus Sonntagszeitungen rauszieht, wo man schlussendlich etwas total anderes liest, als ursprünglich geschrieben wurde. Klar, ich wäre sicher zufrieden, wenn es so offensichtlich wäre, dass die grossen Kabelnetzbetreiber hier die alleinige Verwantwortung und Schuld tragen, dass ich als Kunde nicht frei wählen darf. Aber ich denke, die Thematik ist doch ein wenig komplexer, als Sie diese hier darstellen. Ich möchte hier überhaupt keine negative Kritik ausüben. Wenn aber jemand publizistisch tätig wird un auch noch eine gewisse Message rüberbringen will und die Leute mit dieser überzeugen möchte, sollte diese nicht so stark polarisieren.

Freundliche Grüsse

Einer Ihrer Leser

Ralf Beyeler hat gesagt…

Guten Tag

Besten Dank für Ihre Antwort.

Zuerst möchte ich festhalten, dass die Unterschriftensammlung nicht durch mich oder comparis.ch organisiert wird. Die Stiftung für Konsumentenschutz SKS hat diese Unterschriftensammlung organisiert. Ich finde die Forderung eine gute Sache und habe deshalb dazu aufgerufen, diese Petition zu unterschreiben.

Ich bin nicht der Techniker und kann daher nicht mit allzuviel technischen Details aufwarten. Ich verstehe einige technische Details, diese zu formulieren ist aber nochmals eine andere Sache.

Ich versuche hier mal, die DVB-Technologie zu erklären. Im DVB-Standard werden die Programme ausgestrahlt, wobei es verschiedene Varianten und Unterstandards gibt. Auch die Cablecom strahlt im DVB-Standard aus. Um sicher zu stellen, dass nur bestimmte Programme empfangen werden können, werden die jedoch Programme verschlüsselt. Nur wer einer freigeschaltete Set-Top-Box mit entsprechender Smartcard besitzt, sieht die TV-Programme (oder wer eine gehackte Box einsetzt). Das Ganze ist ähnlich wie bei einem Handy: Ist eine gültige SIM-Karte im Handy, kann das Handy benutzt werden. Bei der Verschlüsselung von Set-Top-Boxen gibt es verschiedenen Varianten, in der Regel wird das DVB-Signal verschlüsselt und dann wieder entschlüsselt. Bei Cablecom ist es so, dass auch Set-Top-Box und Smartcard übereinstimmen müssen, während es oftmals ausreicht, eine gültige Smartcard zu verwenden.

Die Frage, wo Kryptologie sinnvoll ist und wo nicht, kann man nicht objektiv beantworten. Unbestritten ist, dass Pay-TV-Programme verschlüsselt werden müssen, da nur die Personen, die dafür auch bezahlen, die entsprechenden Sendungen sehen sollen. Ähnliches mit exklusiven Programmen, die im Rahmen von Paketen vermarktet werden sowie durch den Kunden individuell gegen Gebühren abgerufene Filme (sogenanntes Video-on-Demand). In all diesen genannten Fällen ist der Einsatz eines Verschlüsselungssystem nicht nur sinnvoll, sondern absolut notwendig.

Anders sieht es bei den Programmen aus, die grundsätzlich frei empfangen werden können. Hier kann man nicht objektiv beantworten, ob die Kryptologie sinnvoll ist oder nicht. Hier kann man unterschiedlicher Meinung sein. Aus Sicht eines Anbieters kann es sinnvoll sein, die Programme verschlüsselt auszustrahlen. Vorteile sind (aus Sicht des Anbieters), dass man dem Kunden eine Box vorschreiben kann, zusätzliche Einnahmen erzielen kann sowie dem Kunden einfach weitere kostenpflichtige Dienstleistungen verkaufen kann. Aus Sicht des Kunden (so auch der Standpunkt der Stiftung für Konsumentenschutz SKS) ist es sinnvoll, die Programme nicht zu verschlüsseln. Der Kunde kann dann das Grundangebot mit einem Endgerät seiner Wahl nutzen, z.B. auch auf ein Computer, ein Festplatten-Recorder mit grösserer Speicherkapazität oder ein HD-Recorder.

Die Frage betreffend der Rolle der Konzessionen und regionalen Bestimmungen kann ich nicht beurteilen.

Cablecom strahlt übrigens bereits heute zwei TV-Programm (SFinfo, Cablecom Preview) unverschlüsselt aus. Die Cablecom-Box funktioniert einwandfrei, obwohl diese beiden Programme nicht verschlüsselt werden.

Würde die Grundverschlüsselung angenommen, hätte der Kunde dann die Möglichkeit, ein beliebiges Endgerät seiner Wahl einzusetzen. Allerdings könnte der Kunde wie heute auch weiterhin die Cablecom-Box nutzen. Wenn sich der Kunde für die Cablecom-Box entscheidet, ändert sich für ihn gegenüber heute überhaupt nichts. Im Kabel hat man Zugang zu DVB-C, nicht zu DVB-S und grundsätzlich auch nicht zu DVB-T (Ausnahme: Ein Waadtländer Kabelnetz speisst DVB-T ein). Eine DVB-T-Set-Top-Box wird also am Kabelnetz in der Regel nicht funktionieren, das selber gilt für die DVB-S-Box.

Die Problematik mit den CA-Modulen ist eine ganz andere und steht derzeit nicht zur Diskussion (ist auch nicht Gegenstand der Petition). Mit den CA-Modulen wäre es theoretisch möglich, mit einem Endgerät seiner Wahl auch verschlüsselte Pay-TV-Programme zu empfangen. Ob auch Zusatzservices wie Video-on-Demand einwandfrei funktionieren ist fraglich bzw. bei vielen Geräten eher unwahrscheinlich.

Ich weiss nicht, was Sie mit "wäre dann das Problem gelöst" meinen. Der Kunde kann wie gesagt auch seine bisherige Box verwenden, alternativ kann er auch im Fachhandel beraten lassen und eine Box kaufen. Denkbar wäre auch, dass der Fachhandel die Cablecom-Box auch verkauft.

Ich denke nicht, dass die Thematik so komplex ist, wie es immer heisst. Das Signal wird von Satelliten übernommen, dann 1:1 zu neuen Paketen verpackt, dann schliesslich verschlüsselt. Das Komplexeste dürfte die Verschlüsselung, die Entschlüsselung und die Verwaltung der Entschlüsselungs-Smartcards sein. Zusatzservices wie EPG (elektronischer Programmführer) ist heute bereits im Internet abrufbar. Ich selber habe einen DVB-T-Empfänger, der den elektronischen Programmführer aus dem Internet holt.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weitere Informationen zur ganzen Thematik geben. Sollten Sie noch Fragen haben, fragen Sie einfach nach.

Freundliche Grüsse




Ralf Beyeler