Dienstag, 13. Januar 2009

Video on Demand in der Schweiz noch ein Flop

Bereits vor gut einer Woche hat Angela Barandum vom Tages-Anzeiger einen interessanten Artikel zum Thema Video-on-Demand geschrieben (Artikel auch online verfügbar).

Video on Demand (Film auf Abruf) wäre eigentlich eine interessante Dienstleistung: Auf Knopfdruck ein aktueller Film ansehen oder die verpasste, aktuelle Folge der Lieblingsserie. Der Film wird über das Internet auf den Computer heruntergeladen und kann während einer bestimmten Zeit beliebig häufig angesehen werden (sogenannter Download). Die zweite Möglichkeit ist, dass der Film sofort und direkt zum Kunden geliefert wird (sogenanntes Streaming). Neben den Angeboten, bei denen das Video am Computer betrachtet werden muss, gibt es auch Angebote für das TV-Gerät. Die dafür notwendige Set-Top-Box (z.B. von Bluewin-TV) empfängt das Signal über das Internet und überträgt das Bild dann auf das TV-Gerät. Soviel zur Einführung, nun zurück zum Tagi-Artikel.

Der Tagi beruft sich auf Zahlen des Marktforschungsunternehmens Screen Digest, nach der in der Schweiz mit Filmen auf Abruf im letzten Jahr nicht mal 500'000 Franken umgesetzt worden sind und zieht darauf folgenden Schluss:
Das bedeutet, dass nicht einmal jeder der gut 100'000 Bluewin-TV-Kunden das Angebot genutzt hat. Ein aktueller Film kostet dort 6 Franken. Damit gehört die Schweiz umsatzmässig zu den unterentwickelten Ländern.
In den USA sind heute sogar bereits zahlreiche Serien verfügbar und auch die RTL-Serie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" gibt es in Deutschland bereits auf Abruf. Nur in der Schweiz merkt man von dieser Revolution nichts: Denn die Rechte werden nach Ländern vergeben und für die Filmstudios sind natürlich Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien, Grossbritannien oder Spanien mit 5 bis 10mal sovielen Einwohnern wie die Schweiz interessanter. Dieses Vorgehen führt natürlich dazu, dass in den Schweizer Angeboten relativ wenig Filme zur Auswahl stehen.

Als weiterer Grund für den Misserfolg wird im Artikel angegeben, dass Video on Demand für den Couch Potatoes viel zu kompliziert sei. Insbesondere, wenn der Film auf dem Computer angesehen werden muss. Aber auch Angebote, die einfacher zu bedienen sind wie Bluewin-TV, werden kaum genutzt (zumindest wenn man den oben zitierten Zahlen glaubt).

Interessant übrigens auch die Aussage von Patrick Schaumlechner vom Schweizerischen Videoverband:
«Die Preise sind heute extrem tief, die Schweizer sind Jäger und Sammler, und die DVD ist als Medium sehr zuverlässig. Man legt sie ein, und es funktioniert.»
Ich finde die Preise alles andere als "extrem tief" - abgesehen von einigen wenigen eher älteren Filmen, die für weniger als 8 Franken über den Ladentisch gehen. Wenn ich auf exlibris.ch gehe und einen Blick auf die meistverkauftesten DVDs werfe, so finde ich Preise zwischen 25 und 29 Franken. Eine ganze Staffel einer Serie kostet sogar 40 bis 80 Franken (das sind gut 2 bis 4 Franken für eine einzige TV-Serienfolge(!)). Ich persönlich finde dies massiv überteuert, insbesondere wenn ich den Film oder die Serie im Fernsehen auch kostenlos ansehen kann. Ich gebe es zu, dass ich persönlich kein DVD-Jäger und Sammler bin.

Der grosse Vorteil der DVD ist sicherlich, dass das Medium sehr zuverlässig funktioniert und das Ganze weniger kompliziert als Video on Demand ist.

Ich bin jedoch überzeugt, dass Video on Demand in Zukunft an der Bedeutung zunehmen wird. Mit der Zeit wird auch die Filmindustrie lernen, dass es eventuell sinnvoller wäre, die Trennung nach Ländern in dieser Form aufzugeben und Europa als eine Einheit zu betrachten. Dies würde den Gewinn der Filmindustrie sicher erhöhen (unter der Voraussetzung, dass mittels standardisierter Prozesse sicher gestellt werden kann, dass die Rechte einfach vergeben werden können).

Der Tagi-Artikel finde ich ganz interessant und ich kann nur empfehlen, diesen zu lesen.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
Telekom-Experte www.comparis.ch

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