Sonntag, 17. Mai 2009

Das Märchen von billigeren Telefongesprächen


In der "NZZ am Sonntag" von lezter Woche erschien ein Interview mit dem Swisscom-Chef Carsten Schloter (Interview ist online abrufbar).

Hier einige Antworten und meine Bemerkungen zur Antwort von Carsten Schloter:
NZZ am Sonntag: Wie stark sinken die Preise 2009?
Carsten Schloter: 4 bis 5% für unser Schweizer Geschäft, das sind insgesamt 400 bis 500 Mio. Fr. Wenn wir am Ende dieses Jahres schauen, dann wird die Mobilfunk-Minute wieder am stärksten gesunken sein. 2008 ist der Preis pro Mobilfunk-Minute mit 8% am stärksten gesunken, der Preis für eine Festnetz-Minute um 3%.
Diese Aussage muss man relativieren: Für die allermeisten Kunden hat sich im letzten Jahr überhaupt nichts geändert und wird sich wahrscheinlich auch 2009 nichts ändern. Die durchschnittliche Telefonminute hat etwas weniger gekostet, weil einige wenige Kunden auf für ihr Nutzungsverhalten günstigere Tarife umgestiegen sind. Der Umsatz der Swisscom nimmt dadurch zwar ab, aber die Kunden telefonieren damit nicht einfach 8 oder 3% günstiger. Nur wer früher auf einem teureren Produkt telefoniert hat und jetzt auf ein etwas günstigere Produkt gewechselt hat, profitiert von einer Preissenkung. Erhebungen, die comparis.ch regelmässig durchführt, zeigt, dass trotz dem Wechsel auf günstigere Produkte praktisch niemand mit dem günstigsten Angebot telefoniert. Der Aussagee, dass die Preise nun um 5% senken, ist falsch. Die meisten Kunden bezahlen auch 2009 genau gleichviel wie im Jahr 2008 oder im Jahr 2007. Nur wer sein Abo optimiert, bezahlt weniger. Dann aber in der Regel nicht 5%, sondern gleich 30% oder sogar 50% weniger.
NZZ am Sonntag: Laut dem Vergleichsdienstleister Comparis zahlen wir in der Schweiz 700% höhere Mobilfunkpreise als in Österreich.
Carsten Schloter: Der Vergleich hinkt. Theoretisch haben Sie überall Luft, wo Gewinne erwirtschaftet werden. Es ist nicht Zweck der Wirtschaft, alle Gewinne zu annullieren. Jeder von uns bezieht sein Gehalt deswegen, weil sein Unternehmen rentabel wirtschaftet.
Ich weiss nicht, was an dem angesprochenen Vergleich hinken soll. Vielleicht kann Herr Schloter ja etwas genauer mitteilen, was an unserem Vergleich hinken soll. Wir haben anhand eines Beispiels berechnet, was ein Kunde für eine Dienstleistung in der Schweiz und was der Kunde für die identische Dienstleistung in Österreich bezahlt. Auch Orange Österreich muss (und soll) Gewinne erwirtschaften. Deshalb kann ich die Argumentation, dass der Vergleich hinkt, weil Swisscom Gewinne erwirtschaften muss, nicht verstehen.

Ich bin der Meinung von Carsten Schloter, dass Unternehmen Gewinne erwirtschaften müssen und ich habe habe mich noch nie dagegen ausgesprochen. Die Firmen erwirtschaften unterschiedliche Gewinne und Orange Österreich muss sich wohl mit wesentlich weniger Gewinn zufriedengeben als Swisscom. Der Gewinn von Swisscom ist sowohl im Branchendurchschnitt wie auch im Vergleich mit Unternehmen aus anderen Branchen erstaunlich hoch. Es hat also bei Swisscom mehr Luft drin als bei anderen Unternehmen. Der hohe Gewinn bezogen auf den erzielten Umsatz ist auch ein weiteres Anzeichen, dass der Wettbewerb im Schweizer Telekommarkt gar nicht spielt und Swisscom damit einen zu hohen Gewinn erwirtschaften kann.
NZZ am Sonntag: Mit einer Kapitalrendite im Mobilfunkgeschäft von über 20% können Sie nicht klagen.
Carsten Schloter: Das ist eine gute Rendite. Sie kommt aber deutlich runter, wegen der Preiserosion.
Daran glaube ich nicht. Swisscom wird die Preise auf diesen hohen Niveau halten und wird weiterhin genügend Kunden haben, die für die Dienstleistungen wie bisher viel zu viel bezahlen. Ausserdem dürften Dienstleistungen wie mobiles Internet weiterhin zunehmen, die Preissenkungen bei Telefongesprächen etwas ausgleichen können. Die Preise für SMS änderten sich zudem seit dem Jahr 2000 bei Swisscom überhaupt nicht.
NZZ am Sonntag: Ihr früherer Mitarbeiter und der heutige Sunrise-Chef Christoph Brand wehrt sich vehement gegen die Swisscom-Dominanz. Was halten Sie von ihm?
Carsten Schloter: Es gehört zum Spiel, dass ein alternativer Anbieter, dessen Mutterhaus hoch verschuldet ist, alle Hebel in Bewegung setzen muss, um die Profitabilität zu verbessern. TDC muss 45% des verdienten Geldes für Zinszahlungen aufwenden, der vergleichbare Wert bei Swisscom liegt bei 11%. In einem Umfeld, wo mittelfristig die Zinsen steigen können, ist das für unseren Mitbewerber nicht komfortabel.
Es gehört sicherlich zum Spiel, dass mit der speziellen Situation im Telekom-Markt zwangsläufig gespielt werden muss. Dies ist weltweit üblich. Bis vor 11 Jahren gab es in der Schweiz und fast allen europäischen Ländern nur ein staatlicher Monopol-Anbieter und dieser Monopol-Anbieter ist weiterhin auf den Markt und daneben die Herausforderer, die dem Ex-Monopolisten Marktanteile abnehmen müssen. Dazu kommt, dass der Ex-Monopolist sowohl Endkunden direkt bedient wie auch seine Leistungen an Konkurrenten vermieten muss. Dass der Ex-Monopolist möglichst viel Geld verlangen will und der Herausforderer möglichst wenig bezahlen will ist ebenso klar. Wichtig ist meiner Meinung nach aber, dass die Voraussetzungen so sind, dass keine der beiden Seiten benachteiligt sind. Dies ist ein schwieriges Unterfangen.
NZZ am Sonntag: Um Haushalte an die schnelle Glasfaser anzuschliessen, sucht Swisscom nach Kooperationen mit städtischen Elektrizitätswerken. Mit wem schliessen Sie als Nächstes eine Vereinbarung ab?
Carsten Schloter: Ich gehe davon aus, dass es uns nach Freiburg, Bern und Basel auch in Zürich und St. Gallen bald gelingen wird, Vereinbarungen zu treffen. Davon profitieren auch Dienstanbieter wie Sunrise oder Orange, dank dem Wettbewerb beim Wiederverkauf.
Es ist sicherlich gut, wenn es da zu Vereinbarungen kommen wird. Doch ich denke nicht, dass das Vier-Faser-Modell der Swisscom zu diesem Wettbewerb führen wird. Es wird eine grosse Herausforderung sein, die Konditionen so zu gestalten, dass nicht Swisscom bevorzugt wird. Ich persönlich glaube nicht daran, dass die gelingen wird. Die Folge wäre, dass wir in der Schweiz weiterhin relativ schlechte Internet-Zugänge zu überhöhten Monopolpreise hätten. Dass dieses Modell nicht funktioniert, zeigen die letzten paar Jahr deutlich. Weder Sunrise noch Orange noch ein anderer Dienstanbieter hat vom Swisscom-Wiederverkaufs-Angebot profitiert. Weshalb es diesmal anders sein soll, ist mir ein Rätsel.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
Telekom-Experte von comparis.ch

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