Sonntag, 8. Februar 2009

Kontroverse um ewz-Glasfaser-Netz

Diese Woche berichteten die Zeitungen ausführlich über das geplante Glasfasernetz des Stadtzürcher Elektrizitätswerk ewz. Ungewohnt heftige Kritik am Geschäftsmodell des ewz.

Das Ganze begann am Montag mit einem Interview des Tages-Anzeigers mit dem Chef der Schweizerischen Kommunikationskommission Comcom Marc Furrer (Interview online verfügbar). In diesem Interview sagte Furrer
Natürlich wäre es für das Stadtzürcher Elektrizitätswerk (EWZ) wunderbar, ein Monopolnetz zu haben. Aber das ist genau das, was wir verhindern wollen.
Wir wollen nicht, dass jemand mit Knebelverträgen ein Monopol zementiert. (auf die Frage: Das EWZ finanziert den Hauseigentümern die Verkabelung bis in die Wohnungen – was eigentlich unüblich ist – und sichert sich im Gegenzug für Jahrzehnte die Nutzungsrechte.)
Der Tages-Anzeiger fasste das Interview kurz unter dem Titel "Glasfaserkrieg: Verträge des EWZ gesetzeswidrig?" an prominenter Stelle gross auf der erste Seite zusammen. Das ewz reagierte noch am Montag mit einer Medienmitteilung und konterte. Das ewz ist sich nicht bewusst, wodurch die mit den Hauseigentümern abgeschlossenen Verträge gesetzeswidrig sein sollen. Das ewz verteidigt nochmals sein Modell eines diskriminierungsfreien Zugangs für alle Anbieter.

Am Dienstag berichtete der Tages-Anzeiger dann über die Glasfaserstreit in verschiedenen Schweizer Städten. In einem Kasten zu diesem Artikel thematisierte der Tages-Anzeiger die umstrittenen Verträge zwischen dem ewz und den Hauseigentümern. Peter Messmann, Leiter des Telekom-Bereiches des ewz, kritisierte, dass er so happige Vorwürfe vom Telekom-Regulator aus der Zeitung erfahren müsse. Das ewz verkabelt die Häuser kostenlos. Im Gegenzug kann das ewz das Glasfaserkabel während 20 Jahren exklusiv nutzen. In den Verträgen gibt es auch eine Ausstiegsklausel: Die Hauseigentümer können auch vor Ablauf der 20 Jahre aussteigen, müssen jedoch bis zu 25'000 Franken pro Anschluss bezahlen. 3 Zürcher Immobilienorganisationen empfehlen ihren Mitgliedern, vorerst keine Verträge mehr abzuschliessen.

Am Mittwoch veröffentliche schliesslich die Neue Zürcher Zeitung NZZ ein Interview mit dem für das ewz zuständigen Stadtrat Andreas Türler (Interview online verfügbar). Der Stadtrat findet es befremdend, dass er die happige Kritik des obersten Regulators aus der Zeitung erfahren musste. Er spekulierte, dass diese Kritik gerade jetzt geäussert wurde, kurz vor der Abstimmung über das St. Galler Glasfasernetz. Der Stadtrat erklärte, dass das 4-Faser-Modell der Swisscom lediglich als Vorwand diene, damit Swisscom den Bau ihres eigenen Netzes von den Mitbewerbern subventionieren lassen kann. Das ewz hat das 120 Millionen Franken-Angebot der Swisscom abgelehnt. Andreas Türler erklärt, dass Swisscom damit das Endkunden-Monopol der Swisscom günstig ausbauen kann. Das wäre schlecht für den Wettbewerb gewesen.
Da Swisscom nicht nur ein Netz baut, sondern auch selbst Dienstleistungen anbietet, könne es nie zu echten Wettbewerb kommen. Das Interview ist auf jeden Fall lesenswert.

Die ganze Diskussion um das Glasfaser-Netz ist komplex. Die ideale Lösung gibt es nicht. Doch mich überzeugen die Argumente des ewz mehr. Denn das ewz bietet nicht selbst Internet-Dienstleistungen an, die Swisscom bietet diese Dienstleistungen selber an. Das ewz-Modell führt automatisch zu Wettbewerb während das Swisscom-Modell den Wettbewerb eher behindert. Wie sehen das Ganze bei ADSL, wo wir in der Schweiz ein relativ schlechtes Angebot zu massiv überrissenen Preisen haben. Da die Swisscom sowohl den Endkundenpreis wie auch den Einkaufspreis der Mitbewerber selbst bestimmen kann, konnte der Wettbewerb bisher nicht spielen. Extrem hohe Preise für niedrige Bandbreiten waren die Folge. Wir sollten alles tun, um eine solche Situation beim Glasfasernetz zu verhindern.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
Telekom-Experte www.comparis.ch

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Und jetzt, Jahre später, zeigt sich: Es wird ein Faß ohne Boden.

Nun geht es nicht mehr "nur" um 200.000.000 SFr., sondern um 1.200.000.000 SFr.:

http://schweizblog.ch/?p=5745