Montag, 14. September 2009

Glasfasernetze: Swisscom und Elektrizitätswerke

In den vergangenen Wochen gab es einige Medienmitteilungen von Swisscom betreffend Zusammenarbeiten beim Ausbau eines Glasfasernetzes direkt in die Wohnungen (sogenannte FTTH). So gab Swisscom die Zusammenarbeit mit dem Elektrizitätswerk der Gemeinde Pfyn, den St. Galler Stadtwerken und Service industriels de Lausanne bekannt.

Die Zusammenarbeit zwischen Swisscom und dem Elektrizitätswerk der Gemeinde Pfyn dürfte eher eine Alibi-Übung sein, mit der Swisscom die anderen Elektrizitätswerke unter Druck setzen möchte. Mir sagt zwar der Pfynwald im Wallis etwas (immerhin habe ich viele Jahre im Wallis gelebt), aber von der Thurgauer Gemeinde Pfyn habe ich bisher – ehrlich gesagt – noch nie etwas gehört. Ich habe mich mal auf der Website der Gemeinde schlau gemacht und so erfahren, dass die Gemeine gerade mal 1'850 Einwohner zählt. Immerhin kann Swisscom Erfahrungen beim Bau eines Glasfasernetzes in eher ländlichen Regionen sammeln.

In Lausanne ist es übrigens nur eine kleine Einigung: Die Service industriels de Lausanne und Swisscom arbeiten in einem Pilotprojekt zusammen und schliessen insgesamt 3'000 Haushalte an. Erst später soll entschieden werden, wie die Zusammenarbeit weitergehen soll. Ein schlauer Schachzug vom Lausanner Anbieter, der auch Strom, Gas, Fernwärme und Kabel-TV anbietet: Die Lausanner haben noch Zeit zum Verhandeln. Man wird sehen, ob es dann eine Einigung zum Ausbau der übrigen Haushalte geben wird.

Eine echte Einigung wurde hingegen in St. Gallen erzielt: Swisscom und die St. Galler Stadtwerke bauen gemeinsam ein Kabelnetz auf. Swisscom bezahlt den Stadtwerken einen nicht genannten Betrag an die Investitionen und hat im Gegenzug das Nutzungsrecht für 2 der 4 verlegten Fasern für die Dauer von 30 Jahren mit der Option auf eine Verlängerung. Swisscom investiert einmalig einen hohen Betrag - es dürfte etwas mehr als die Hälfte der Investitionen sein - und kann dann während 30 Jahren das Glasfaser-Netz nutzen, ohne den St. Galler Stadtwerken etwas für die Nutzung bezahlen zu müssen. Lediglich an den jährlichen Wartungsarbeiten beteiligt sich Swisscom.

Swisscom betont, dass dieses Modell einen diskriminierungsfreien Zugang und Wettbewerb auf Technologie- und Service-Ebene ermöglichen soll. Dies tönt sich zwar auf den Powerpoint-Folien der Swisscom sehr gut, doch ich habe erhebliche Zweifel daran. Als erstes kostet das Glasfaser-Netz etwa 20 bis 60% mehr, weil wegen Swisscom vier statt nur einer Faser verlegt wird. Diese massiven Mehrkosten werden auf die Kunden überwälzt werden. Bei den St. Galler Stadtwerke haben erhebliche Kosten und können daher den Service-Providern nicht so günstig anbieten, wie sie es mit nur einer Faser machen könnten. Davon dürfte wiederum Swisscom profitieren, die ein starkes Interesse an hohen Preisen hat, um die längst abgeschriebenen Kupferleitungen nicht zu stark zu konkurrenzieren.

Ein weiterer Punkt ist, dass Swisscom traditionellerweise mehr als die Hälfte des Marktes beherrscht und daher günstigere Konditionen als die St. Galler Stadtwerke hat. Dies trifft zu, falls der Marktanteil von Swisscom im St. Galler Glasfaser-Netz höher ist, als die Kostenbeteiligung der Swisscom am Netz. Wenn Swisscom mehr Kunden hat, reduzieren sich die Kosten pro Anschluss und Swisscom bezahlt weniger pro benutzten Anschluss als die St. Galler Stadtwerke. Damit werden die St. Galler Stadtwerke und deren Kunden diskriminiert und subventionieren damit die Swisscom. Die Stadtwerke müssen den Service-Providern höhere Preise verrechnen und die Service-Provider müssen die höheren Konditionen wiederum an die Kunden weitergeben. Falls die Tarife so hoch sind, dass die Service-Provider so hohe Tarife verlangen, dass die Kunden nicht auf das Glasfasernetz wechselt, so könnten die Stadtwerke sogar Verlust machen und die St. Galler Einwohner müssten diese Verluste übernehmen.

Swisscom könnte zwar den Service Providern günstigere Tarife verrechnen, doch dies dürfte sie nicht tun. Denn Swisscom hat ein Interesse daran, dass die Kunden direkt bei Swisscom kaufen. Es ist richtig, dass Swisscom versucht, Kunden zu gewinnen. Doch es zeigt einmal mehr, dass es falsch ist, wenn Swisscom sowohl im Besitz des Netzes ist bzw. ein sehr langfristiges Nutzungsrecht hat. Das Ganze dürfte dazu führen, dass wir in Zukunft auch beim Glasfaser-Netz da sind, wo wir heute bei ADSL sind: Swisscom beherrscht den Markt und für Service-Provider ist ADSL ein Verlustgeschäft. Die Kunden bezahlen sehr hohe Tarife für Internet und erhalten eine sehr schlechte Leistung - auch im internationalen Vergleich.

In anderen Branchen, wo es ebenfalls eigene Netz-Infrastruktur braucht, ist es übrigens auch üblich, dass man nur einmal baut und den anderen Anbietern die Infrastruktur gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Dies ist neben der Telekommunikation z.B. bei der Stromübertragung und beim Eisenbahnverkehr international üblich. Es käme niemand auf die Idee, 4 oder 8 Stromleitungen ins Haus zu ziehen, nur weil der Kunde die Auswahl aus mehreren Elektrizitätswerken hat (ich weiss, ist in der Schweiz noch Zukunftsmusik).

Ich glaube, die St. Galler werden die Zusammenarbeit mit Swisscom in Zukunft noch bereuen. Interessant ist auch, wie andere Städte mit Swisscom zusammenarbeiten werden, insbesondere die Elektrizitätswerke Zürich EWZ.

Was denken Sie zum Bau der Glasfaser-Netze durch Swisscom und die Zusammenarbeit zwischen Swisscom und den St. Galler Stadtwerken? Schreiben Sie einen Kommentar!

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
Telekom-Experte von comparis.ch

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Mh, das ist ja alles schön und gut, aber: Wir haben hier seit einigen Wochen einen EWZ zueri.net Anschluss, die Angebote dafür sind aber so unattraktiv (1 Mbit/s Upstream ist ein schlechter Witz und schnellere Angebote sind extrem teuer, deutlich teurer als Cablecoms unechtes "Fiber Power"), dass wir bis auf Weiteres beim Kupferkabel bleiben werden - und das ganz ohne Kooperation mit der Swisscom.

Wenn die Angebote der EWZ-Reseller derart unattraktiv bleiben könnte ich mich für etwas mehr Konkurrenz auch auf der Infrastruktur-Ebene durchaus erwärmen - auch wenn sie von der Swisscom ausgeht.