Freitag, 16. Mai 2008

Grundverschluesselung: Swisscable nur noch peinlich

Heute hat der Branchenverband der Schweizer Kabelnetz-Betreiber, Swisscable, eine Medienmitteilung unter dem Titel "Verschlüsselung muss weiterhin möglich sein" versendet. Anscheinend hat man bei Swisscable nicht wirklich viel Ahnung zum Thema Digital-TV und Grundverschlüsselung.

Am 20. Mai wird eine Kommission des Nationalratr eine Motion von Ständerätin Sommaruga behandeln. Dies ist der Anlass für den Versand der Medienmitteilung.

Ich erlaube mir, hier die Medienmitteilung hier zu kommentieren:

Die Motion Sommaruga 07.3484 verlangt, dass sämtliche freien Programme im Bereich des digitalen Fernsehens in Kabelnetzen unverschlüsselt verbreitet werden, was faktisch auf ein Verschlüsselungsverbot hinausläuft.
Die Kabelnetz-Anbieter wie Cablecom dürfen auch in Zukunft kostenpflichtige Programme anbieten und diese selbstverständlich verschlüsseln. Nicht mehr erlaubt wäre der kostenlose Empfang von freien TV-Programmen und der teure Weiterverkauf an die Kunden. So müsste Cablecom wohl die meisten italienischsprachigen Programme in Zukunft unverschlüsselt ausstrahlen. Es schmerzt Cablecom natürlich, dass man von den Kunden nicht mehr mindestens rund 20 Franken pro Monat verlangen kann. Die Programme holt sich Cablecom kostenlos vom Satelliten, was spricht dagegen, diese unverschlüsselt an die Kunden weiter zu verbreiten. Immerhin kassiert die Cablecom von den Kunden rekordhohe fast 30 Franken pro Monat.

Der Markt für die Verbreitung von digitalem Fernsehen in der Schweiz spielt. Konsumentinnen und Konsumenten haben die Wahl zwischen verschiedenen Empfangsmöglichkeiten: Satelliten-TV, terrestrisches Fernsehen, Bluewin TV (IPTV), Kabelfernsehen, Internet-TV, Mobile-TV.
Auch wenn diese Aussage wiederholt wird, wird diese nicht wahrer. Der Wettbewerb spielt gar nicht. Würde der Wettbewerb spielen, hätten wir z.B. mehr als 4 terrestrische Sender wie z.B. in Frankreich oder Grossbritannien. Bluewin-TV hat erst einige Kunden und Satelliten-TV ist umständlich und benötigt Bewilligungen vom Vermieter und teilweise der Wohngemeinde. Die meisten Kunden, die Kabelfernsehen beziehen, wissen nicht mal, dass sie ihre Programme von einem Kabelnetz-Betreiber beziehen. Denn das TV-Gerät läuft und die Kosten werden diskret über die Nebenkosten-Abrechnung des Vermieters abgerechnet.

Internet-TV und Mobile-TV ist keine Konkurrenz zum normalen TV-Empfang, sondern nur eine Alternative, falls kein TV-Gerät zur Verfügung steht oder man einen Beitrag zeitversetzt ansehen möchte.

Kein Wunder auch, dass weitere Angebote zur Verbreitung von Digital-TV – z. B. via Glasfasernetze der Elektrizitätswerke – in Vorbereitung sind und den Wettbewerb weiter verschärfen werden.
Diese Netze sind begrüssenswert und ich hoffe, dass ich bald die Alternative eines attraktiven, kostengünstigen und qualitativ hochstehenden Angebotes basierend auf dem Glasfasernetz der Elektrizitätswerke nutzen kann. Derzeit ist das Ganze jedoch erst in der Projektphase und bis auf einige Pilotkunden können die Kunden von solchen Angeboten nicht profitieren.

Bei Annahme der Motion würde die kabelgebundene Fernsehverbreitung diskriminiert. Anbieter von digitalem Kabelfernsehen und digitalem Fernsehen via Telefonnetz (z.B. Bluewin TV) würden in ihrer unternehmerischen Freiheit gegenüber Satelliten-TV, terrestrisches Fernsehen, Internet-TV und Mobile TV massiv und einseitig eingeschränkt. Dies würde den wachsenden Wettbewerb bremsen und die Entwicklung von digitalem Fernsehen hemmen, was aus volkswirtschaftlicher Sicht negativ wäre.
Warum diskriminiert? Die Kunden könnten die Box ihrer Wahl einsetzen, die Kabelnetz-Anbieter können sich auf das Liefern von TV-Programmen konzentrieren und damit die Kundenzufriedenheit nachhaltig verbessern. Der Wettbewerb der Boxenhersteller würde dazu führen, dass qualitativ bessere Boxen zu guten Preisen angeboten werden. Die Anzahl der Digital-TV-Nutzer würde massiv zunehmen und damit können die Kabelnetz-Betreiber früher mit der weiteren Migration auf Digital-TV beginnen. Die Kunden können von weiteren Programmen profitieren und die Kabelnetz-Anbieter könnten zusätzliche Einnahmen durch kostenpflichtige Programme generieren.

Kabelnetzunternehmen müssen auch in Zukunft die Möglichkeit haben, ihre Kunden mit personalisierten und interaktiven Angeboten wie Video-on-Demand (Filme auf Abruf) bedienen zu können. Dies wird nur durch die Verschlüsselung, die nichts anderes tut als einen bestimmten Inhalt (z.B. einen Spielfilm) an einen bestimmten Kunden zu liefern, ermöglicht. Diese Form des Fernsehens wird in Zukunft immer wichtiger werde. Wer hier nicht mithalten kann, könnte im Wettbewerb um Digital-TV-Kunden schnell weg vom Fenster sein.
Kabelnetz-Betreiber wie Cablecom dürfen solche Dienstleistungen auch in Zukunft anbieten und natürlich auch verschlüsseln. Die Motion schreibt die unverschlüsselte Ausstrahlung von freien TV-Programmen vor. Alle weiteren Services dürfen und müssen natürlich auch weiterhin verschlüsselt werden. Ob sich diese Services wirklich durchsetzen werden, wird sich zeigen. Ich bin eher skeptisch. Liebe Swisscable, lassen Sie den Kunden doch bitte die Wahl!

Die Schweiz befindet sich in einer Übergangsphase von analogem hin zu digitalem Fernsehen. Es ist zu erwarten, dass sich für das digitale Fernsehen in den nächsten drei bis fünf Jahren ein internationaler Standard etablieren wird, der den Konsumentinnen und Konsumenten eine freie Gerätewahl ermöglicht.
Der Standard existiert bereits und nennt sich DVB-C. Alternativ wäre auch DVB-T möglich. Wo liegt das Problem?
Regulierungen mit dem Ziel, in der jetzigen Übergangsphase und exklusiv in der Schweiz einen offenen Standard einzuführen, sind zum Scheitern verurteilt.
Warum exklusiv? In Deutschland werden z.B. sämtliche öffentlich-rechtlichen Programme unverschlüsselt ausgestrahlt. Und auch in anderen Ländern gibt es Anbieter, die auf die Grundverschlüsselung verzichten, darunter die österreichische Tochtergesellschaft der Cablecom. Und Standard muss man gar keinen Schaffen: So sendet Cablecom z.B. bereits heute das Programm SFinfo unverschlüsselt digital aus. Dieses Programm kann mit jeder beliebigen Set-Top-Box empfangen werden, ohne Probleme. Und dies obwohl alle anderen Programme verschlüsselt ausgestrahlt werden. Ebenso können zahlreiche Schweizer Kabelnetz-Betreiber Digital-TV ohne Grundverschlüsselung ausstrahlen.

Der Markt für Digital-TV ist international; eine Insel-Lösung für die Schweiz wäre nicht nur unsinnig, sondern auch zu teuer.
Liebe Swisscable, das ist der grösste Schwachsinn. Jede handelsübliche Box kann unverschlüsselte Programme bereits empfangen. Es braucht keine Insel-Lösung und da man Programme nicht mehr verschlüsseln muss, kann man sich sogar teure Rechner sparen, die das Programm umständlich verschlüsseln müssen.

Behauptung: „Die Verschlüsselung von digitalen Programmen ist unnötig.“
Richtig ist: Es kommt auf die Geschäftsstrategie des Kabelnetzunternehmens an. Wer aus strategischen Gründen – weil dies also für die Zukunft als relevant erachtet wird – Inhalte auf Abruf und weitere Möglichkeiten zur Interaktion anbieten will, kommt heute um eine einheitliche Verschlüsselung (Grundverschlüsselung) nicht herum.
Hier wird bewusst etwas verdreht. Wie gesagt, die Regulierung betrifft nur frei empfangbare Digital-TV-Programme. Der Kabelnetz-Betreiber kann aus strategischen Gründen selbstverständlich Inhalte auf Abruf und weitere Möglichkeiten zur Interaktion anbieten, so viel er will.

Ob eine Verschlüsselung von digitalen Programmen nötig oder unnötig ist, kann also nur vom Kabelnetzunternehmen selber beantwortet werden.
Nein, die Kunden sollten auch etwas zu sagen haben, insbesondere da die Kabelnetz-Betreiber über eine starke marktbeherrschende Stellung verfügen. Der einzige Grund der Grundverschlüsselung ist der Profit, der mit dem Vermieten von minderwertigen Boxen zu überrissenen Preisen erzielt werden kann.

Bei der Settop-Box zum Empfang der digitalen Programme gibt es Kabelnetzunternehmen, die den Kunden eine bestimmte Box vorgeben; die Kunden haben hier also keine Wahl. Die Gründe dafür sind einfach: Nur durch den Einsatz des speziell konfigurierten Empfangsgerätes können die Qualität des Angebots und ein effektiver Kundendienst sichergestellt sowie eine Aktualisierung und Erweiterung des Angebots ermöglicht werden.
Das mit dem Support stimmt. Allerdings kann der Kabelnetz-Betreiber kommunizieren, dass Kunden, die Fremdboxen einsetzen, keine Beratung durch den Kundendienst erhalten. Die Kunden müssen sich dann an den Verkäufer wenden.

Ich habe selber Digital-TV und habe damit nur Probleme. Programme werden nicht aufgezeichnet, die EPG-Daten sind unvollständig (übrigens, weil sich eine Box von Cablecom nicht an den international üblichen Standard hält), die Berechtigung geht regelmässig verloren, Serienaufnahmen sind umständlich, ....

Ich bin überzeugt, dass ich beim Einsatz einer Markenbox z.B. von Sony oder Panasonic von einem wesentlich besseren Angebot profitieren würde.

Behauptung: „Die Kabelnetzunternehmen verschlüsseln die digitalen Programme nur, um den Kunden weitere Angebote wie Pay-TV, Video-on-Demand etc. zu verkaufen.“
Richtig ist, dass dies ein sehr wichtiger, aber nicht der einzige Grund für die Verschlüsselung ist. Weitere Gründe für die Verschlüsselung und den Einsatz von vorgegebenen Settop-Boxen sind: Garantie für die Qualität des Angebots und einen effektiven Kundendienst, Aktualisierungsmöglichkeiten der Software und Verhinderung von Schwarzsehen. –
Das sind leere Worthülsen. Die Qualität des von mir benutzten Digital-TV-Recorders ist miserabel und der Kundendienst ist ineffizient und inkompetent. Schwarzseher kaufen sich eine gehackte Set-Top-Box und haben wahrscheinlich weniger Probleme (bis auf eventuelle juristische Probleme) als bezahlende Kunden, die die Zwangsboxen einsetzen. Bleibt nur der Punkt mit Aktualisierungmöglichkeiten: Stimmt, dies ist ein Vorteil der vom Kabelnetz-Betreiber herausgegebenen Boxen. Allerdings könnte man auch eine Alternativ-Box ans Internet anschliessen und so ein Update herunterladen.

Aber selbst wenn die Behauptung wahr wäre: Ist es Aufgabe der Politik, bestimmten Unternehmen faktisch zu verbieten, weitere Angebote zu lancieren und diese an ihre Kunden zu verkaufen?
Das wäre auch weiterhin möglich! Es geht bei der Motion nur um die unverschlüsselte Ausstrahlung von TV-Programmen, die Cablecom und andere Netzbetreiber kostenlos empfangen. Ich denke, es ist Aufgabe der Politik, entsprechende Vorgaben zu machen. Viele Bereiche sind heute wesentlich stärker reguliert und niemand regt sich auf.

Ich persönlich hoffe, dass die Kommission des Nationalrat der Motion ebenso deutlich zustimmen wird wie der Ständerat.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
www.comparis.ch

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich hoffe, wir sehen dich in der Arnena - wenn sie mal dieses Thema behandelt.

Gegen solche fundierten Argumente sieht Swisscable alt aus.