Mittwoch, 10. Februar 2010

Orange ist niemals 30 bis 50% günstiger

In der letzten NZZ am Sonntag ist ein Interview mit Didier Lombard, derzeit noch Chef des Orange-Mutterhaus France Telecom (ab März ist er Verwaltungsratspräsident von France Telecom). Das Interview ist auch online verfügbar unter dem Titel „Mobilfunk-Tarife sinken jährlich 6 Prozent“.
Unsere Mobilfunk-Preise sind heute zwischen 30 und 50% tiefer als jene von Swisscom, aber viele Kunden wählen trotzdem Swisscom.
Keine Ahnung, wie Herr Lombard auf die Idee kommt, dass Orange 30 bis 50% günstiger als Swisscom sein soll. Bei unseren Berechnungen schneidet Orange jeweils nur leicht günstiger als Swisscom ab und auch bei den vom BAKOM veröffentlichten Vergleichen ist Orange nicht so viel günstiger als Swisscom.

Ich denke, Hauptgründe, weshalb die alternativen Anbieter nicht mehr Kunden gewinnen können, sind das unübersichtliche und komplexe Angebote sowie das Image eines schlechteren Kundendienstes und eines schlechteren Netzes. Ausserdem achten viele Schweizer nicht auf den Preis und sind häufig mit Swisscom auch einfach zufrieden.
Die richtige Frage lautet: Wie viele Anbieter gibt es auf dem Markt, die investieren können? Und wie viel können sie investieren?
Viel wichtiger ist jedoch die Frage, ob die Anbieter auch investieren wollen und werden. Denn wahrscheinlicher ist, dass die fusionierte Sunrise/Orange zwar mehr investieren könnte, das Geld jedoch lieber dem Aktionär als Dividende ausschüttet.
Der Konsument soll ab dem ersten Tag von der neuen Marktsituation profitieren, beim Preis und bei den Angeboten. So planen wir, dass Sunrise- und Orange-Kunden zum Beispiel von den bevorstehenden Preissenkungen bei den europäischen Roaming-Tarifen profitieren können. Der Datenverkehr im Ausland wird im Durchschnitt um 75% günstiger. Diese Daten-Angebote werden auch den Schweizer Kunden zugänglich sein.
Orange könnte ein solches Angebot auch ohne Fusion mit Sunrise lancieren. Orange ist eine der grössten Mobilfunk-Anbieter Europas und könnte seiner Schweizer Tochter attraktivere Roaming-Konditionen gewähren. Doch in Paris freut man sich über das Abschöpfen der Kaufkraft und den Extragewinn aus der Schweiz. Wenigstens hoffe ich, dass bei diesem neuen Angebot alle Kunden automatisch profitieren werden. Doch dies glaube ich nicht, viel eher wird wieder mal eine weitere Option für ein paar gut informierte Kunden lanciert und die breite Masse der Kunden werden weiterhin abgezockt.
Frage: Was passiert mit den Terminierungskosten, jenen Kosten also, die sich die Mobilnetzbetreiber gegenseitig für die Benutzung der Netze verrechnen?
Antwort Lombard: Orange- oder Sunrise-Kunden profitieren unmittelbar von der grösseren Gesamtkunden-Basis. Dadurch werden deutlich weniger Anrufe in ein fremdes Netz gehen, was zu tieferen Rechnungen führen wird. Darüber hinaus werden die Preise für Mobilterminierung sicher weiter sinken.
Für Sunrise-Kunden ist dies nachvollziehbar, weil Sunrise bei den meisten Angeboten unterschiedliche Tarife für Anrufe ins Sunrise-Netz und in andere Netze kennt. Allerdings verrechnet Sunrise den teureren Fremdnetz-Tarif auch für Anrufe zu Aldi oder Yallo-Handys, obwohl es sich jeweils auch um ein Sunrise-Angebot handelt. Aber Herr Lombard hat ja nicht gesagt, dass die Kunden, die eine Sunrise-Flatrate haben, in Zukunft auch Orange-Kunden kostenlos erreichen können.

Für Orange-Kunden kann ich diese Argumentation nicht nachvollziehen: Denn Orange kennt bei den meisten Angeboten nur einen Tarif für Anrufe ins Festnetz, zu Orange-Handy und zu Fremdnetz-Handys. Die Kunden können daher auch nicht davon profitieren, dass weniger Anrufe in ein fremdes Netz gehen und es wird auch nicht zu tieferen Rechnungen führen. Eine Möglichkeit wäre, dass Orange den Minutentarif senken wird. Doch dies halte ich für eher unwahrscheinlich.

Herr Lombard erwähnte ausserdem, dass Orange plane, in der Schweiz in den nächsten 5 Jahren 1.3 Milliarden Franken zu investieren, dass auch ein eigenes Glasfasernetz ein Thema werden könnte und das man schon bald mit einem TV-Angebot in der Schweiz starten möchte.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
Telecom-Experte von comparis.ch

1 Kommentar:

Martin hat gesagt…

Ich bringe es jeweils so auf den Punkt:

Bei Orange gibt's die Leistungen von Sunrise zum Preis von Swisscom.

Im Bezug auf Swisscom stimmt diese plakative Aussage, im Bezug auf Sunrise ist sie in vielen Belangen falsch, wie z.B. die neuen Internet-Angebote für Prepaid-Kunden zeigen.