Montag, 31. August 2009

Voller Preis, halbe Leistung

Der Tages-Anzeiger hat unter dem Titel "Lahmes Internet trotz teurem Abonnement" ein in der Branche altbekanntes Thema wieder aufgenommen (Artikel online verfügbar). Konkret geht es darum, dass nur etwa jeder zweite ADSL-Kunde auch tatsächlich mit der Geschwindigkeit surft, für die er bezahlt. Jeder zweite Kunde bezahlt zwar den vollen Preis, erhält aber wesentlich weniger Leistung.

Mein Tipp: Bei Swisscom anrufen und "stürmen" nützt in vielen Fällen. Die Hälfte der Kunden, die nicht mit voller Geschwindigkeit durchs Internet surfen, könnten auf VDSL wechseln und zum gleichen Preis, aber mit voller Geschwindigkeit surfen. Manchmal muss man richtig penetrant bleiben, damit sich der Swisscom-Mitarbeiter um das Problem kümmert. Viele (darunter auch Swisscom-Mitarbeiter) wissen nicht, dass es der normale ADSL-Anschluss mit (bezahlten) 5'000 Kbit/s auch als VDSL gibt. Der Preis beträgt auch 49 Franken pro Monat. Der Kunde erhält ein neues Modem und profitiert von einer massiv schnelleren Geschwindigkeit.

Ich zitiere aus dem Artikel des Tages-Anzeigers:
Swisscom-Sprecher Josef Huber kann Beyelers Anschuldigungen nicht nachvollziehen. Dies könnte daran liegen, dass der ehemalige Monopolist im Sommer 2008 vielen Haushalten mit langsamen Verbindungen entgegengekommen ist: «Wir haben mehrere zehntausend Kunden kontaktiert und ihnen einen kostenlosen Technologiewechsel nahegelegt», so der Sprecher. Das Unternehmen habe dabei alte ADSL-Modems durch VDSL-Geräte ersetzt.
Rechnen wir nur kurz nach: Swisscom hat etwa 1.2 Millionen Privatkunden, die ADSL direkt von Swisscom nutzen, also nicht über einen Konkurrenz-Anbieter wie Sunrise. Davon erhalten etwa die Hälfte nicht die volle Geschwindigkeit, das wären dann etwa 600'000 Kunden. Von diesen 600'000 Kunden könnten etwa 300'000 Kunden schneller durchs Internet surfen, wenn Sie von ADSL zu VDSL wechseln. Ein paar zehntausend Kunden, die kontaktiert worden sind, ist angesichts der vielen betroffenen Kunden nichts als ein kleiner Tropfen auf einen sehr heissen Stein. Ich kenne viele Kunden, die viel zu langsam surfen und wo sich Swisscom bisher nicht gemeldet hat.

Sunrise geht wesentlich offener mit dem Thema um, als Geheimniskrämer Swisscom:
«Dort, wo wir die Leitungen der Swisscom nutzen, surfen gegen 50 Prozent unserer Kunden unter der Maximalgeschwindigkeit.» Dies sei so, weil de ADSL-Technologie an ihre Grenzen stosse». [...] Bei den entbündelten Anschlüssen, also in Haushalten, wo auch das Festnetz über Sunrise läuft, liege der Anteil der Langsamsurfer bei unter 10 Prozent. Die Diskrepanz bestehe, weil man bei jenen Netzen die modernere ADSL2+ Technologie einsetze.
Ich glaube die Aussagen von Sunrise. Ich habe dies selbst erfahren: Für meine Wohnung gibt Swisscom eine Geschwindigkeit von 600 KBit/s oder 4'400 kBit/s an, mit Sunrise komme ich nun effektiv auf über 13'000 KBit/s. ADSL2+ ist für eine schnelle Datenübertragung über etwas längere Strecken - wie diese in der Schweiz häufig vorkommen - die attraktivere Geschwindigkeit. Ich kann nicht verstehen, weshalb Swisscom stattdessen auf VDSL setzt, wo wenige Kunden in den Genuss extrem breiter Geschwindigkeiten kommen.
Bei der Cablecom surfen nur noch wenige Kunden unter dem Sollwert. «Bei uns liegt der Kapazitätsengpass unter einem Prozent», so Sprecher Hanspeter Nehmer. «Die Surfgeschwindigkeiten haben sich bei uns in den vergangenen vier Jahren verzehnfacht, unser Netz wird laufend erneuert.» In der Regel würden die Modems zudem alle zwei bis drei Jahre ausgetauscht.
Ich halte diese Aussage von Cablecom schlicht für Unglaubwürdig und nicht möglich! Technisch ist ein Kabelnetz anders ausgebaut und deshalb gibt es andere Schwierigkeiten als bei ADSL. Hauptproblem ist, dass zu viele Internet-Kunden an einem Verteilerkasten angeschlossen sind. Sehr viele Kunden dürften nicht mit der vollen Geschwindigkeit surfen. Ich persönlich schätze, dass mindestens ein Viertel bis die Hälfte aller Kunden nicht mit der Geschwindigkeit surfen, für die sie bezahlen. Ich selbst hatte ja auch Kabelinternet von Cablecom und erreichte nur ein Bruchteil der bezahlten Geschwindigkeit.
[...] gilt das Best-Effort-Prinzip. Soll heissen: Die Provider geben in ihren Verträgen maximale Download-Geschwindigkeiten an, die sie versuchen einzuhalten. [...] So kann die jeweilige Übertragungsrate im Tagesverlauf stark schwanken. «Best Effort klingt nicht besonders kundenfreundlich, dessen bin ich mir bewusst», sagt Cablecom-Mann Nehmer. Die Regelung sei aber in der Branche - national wie international - üblich.
Best Effort ist als solches auch kein Problem. Denn wenn zu einer bestimmten Tageszeit viele Kunden surfen und es für eine kurze Zeit zu einer reduzierten Leistung kommt, finde ich das Ganze nicht so tragisch. Wenn ich jedoch systematisch nicht die Geschwindigkeit erhalte, für die ich bezahle, finde ich dies fies und nicht korrekt. Die Schwankungen im Tagesverlauf sind vor allem ein Problem von Cablecom, dies aus technischen Gründen. "Best Effort" heisst für mich, dass ich die bezahlte Geschwindigkeit grundsätzlich - abgesehen von einigen Ausnahmen - auch erreiche.

Fair und transparent wäre es, wenn die Anbieter gegenüber dem Kunden die Geschwindigkeit offen kommunizieren und selbstverständlich einen Rabatt gewähren, wenn nicht die volle Geschwindigkeit erreicht wird.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
Telekom-Experte von comparis.ch

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Ralph

Swisscom schaltet das DSL (Bluewin)wenn möglich immer über ein VDSL Profil. Somit sind zumindest für Neukunden solche Probleme kein Thema mehr.
Dass die Kunden stürmen müssen, kann kaum allgemein genommen werden. Für Swisscom ist es ja einfacher die Umstellung von ADSL auf VDSL nach Feedback des Kunden zu erledigen. So kann Swisscom das ganze eins nach dem anderen migrieren ohne eine grosse Übung veranstalten zu müssen. Aus meiner Sicht sicher sinnvoll, denn eine Massenumschaltung die mit einem Bief angekündigt wird führt zu einem grossen Ansturm an der Hotline und der einzelne Kunde wartet sehr lange bis er dran ist und ist verärgert.

Gruess
Ivan

Ralf Beyeler hat gesagt…

Ich habe nirgends geschrieben, dass Swisscom alle Kunden auf einmal umschalten soll. Es wäre jedoch möglich, die Kunden auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, dass Sie auf VDSL wechseln könnten. Dies wird meines Erachtens viel zu wenig gemacht. (Sofern ich Sepp Huber richtig verstanden habe, hat Swisscom bereits Briefe an einige zehntausend Kunden verschickt, doch es fehlt eine Aussage, wie viele Kunden dann wirklich umgeschaltet worden sind).

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler