Montag, 5. September 2011

Warum spielt Wettbewerb nicht?

Auf Google Plus erhielt ich vor ein paar Tagen folgende Frage:
Hallo Herr Beyeler, können Sie mir mal genauer erklären wieso im Grossenkanton Deutschland eine AllNet Flat für 45€ im Monat möglich ist wo alles dabei ist, und wo die Versteckten Hacken sind im Vergleich zur Schweiz?

Ich habe versucht, die Frage zu beantworten. Die Antwort möchte ich meiner Blog-Leserschaft nicht vorenthalten:

Den genauen Grund weiss ich nicht, aber verschiedene Gründe, die zur für Konsumenten unbefriedigenden Situation führen.

Der wichtigste Grund dürfte sein, dass alle sowieso bei Swisscom sind und nicht bereit sind, zu wechseln. Da Swisscom dann weiss, dass die Kunden sowieso nicht wechseln werden und bereit sind, fast jeden Preis zu bezahlen, hat Swisscom auch keinen Grund, die Preise stärker zu senken. Swisscom gehört zu den Firmen mit den grössten Margen überhaupt. Ich bin überzeugt, dass Swisscom die Preise nicht senken müsste (was sie zwar gelegentlich macht, manchmal ist es aber Kosmetik und nur für ein paar wenige Kunden eine Senkung) und damit sogar mehr verdienen würde (weil nur wenige Kunden Swisscom zusätzlich verlassen würden).

Bei einem Markt, bei dem Swisscom eine solche Stellung hat und die alternativen Anbieter auch mit sehr aggressiven Angeboten kaum die Möglichkeit haben, sehr viele zusätzliche Kunden zu gewinnen, erscheint den Anbietern das Risiko zu gross. Die Preissenkungen betreffen in erster Linie die bestehenden Kunden, die auch die günstigeren Preise verlangen. Damit wird sehr schnell sehr viel Umsatz und Gewinn vernichtet, die neuen Kunden dürften nicht kommen, die neuen Umsatz und Gewinn bringen könnten.

Ein weiterer Punkt ist die Regulierung: Die Anbieter müssen das Netz anderen Anbietern nicht zur Verfügung stellen. (Ich kenne die deutsche Regelung nicht). Damit können die Netzbetreiber "freie" Preise für unabhängige Anbieter durchsetzen. Natürlich schauen die Netzbetreiber darauf, dass die Preise so hoch sind, dass die eigenen Preise nicht konkurrenziert werden können. Es gibt übrigens nur wenige echte MVNO wie Lebara oder Lycamobile. Die Angebote unter bekannten Marken wie M-Budget, Coop, Red Bull oder Aldi sind Angebote der Mobilfunk-Anbieter und die Partner stellen nur den Markennamen zur Verfügung und können bei der Produktgestaltung mitreden.

Ich kenne die deutschen AllNet-Flatrates im Detail nicht und kenne auch die verstecken Hacken nicht. Ich gehe davon aus, dass es auch dort Beschränkungen gibt, wenn man die Flatrate zu stark ausreizt. Die Frage ist, was zu stark ist. Bei den Schweizer Anbietern halte ich die Begrenzungen, die kommuniziert werden (Orange, z.B. 3000 Minuten monatlich, 3000 SMS monatlich), für nicht störend. Auch von Schweizer Anbietern, die nur ein allgemein formulierte Fair-Use-Policy haben, habe ich bisher nichts von einer zu kundenfeindlichen Auslegung gehört. Ein einziger Fall ist mir bekannt, aber der Kunde hat 200 Stunden im Monat telefoniert und wenn der Anbieter dann einschreitet, kann ich dies verstehen.

Ich denke, dass sind die wichtigsten Gründen. Was denken Sie dazu? Was sind die Hauptgründe, dass der Wettbewerb nicht spielt? Ich freue mich auf eine Diskussion.

Apropos Google Plus: Ich weiss noch nicht, was ich vom Google Plus halten soll. Ich bin noch etwas am Üben und (derzeit?) gefällt mir Twitter (noch?) besser – ausser der Beschränkung auf die nur 140 Zeichen. Fürs Diskutieren sieht Google Plus nicht schlecht aus (mit Twitter keine zusammenhängende Ansicht), doch eine Suchfunktion für interessante Keywords habe ich im Gegensatz zu Twitter noch nicht gefunden. Im Moment bin ich noch eher auf Twitter anzutreffen.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Kein Anbieter in der Schweiz ist in der Lage, die Swisscom-Preise drastisch zu unterschreiten, weil sonst sofort der Cash Flow in die Knie geht und er gleich mit. Statt dessen drückt man die Leistungen in die Höhe und hofft darauf, dass sie kein Kunde nutzt. So ist es bei Cablecom, so ist es bei Sunrise und Orange. Gewinnt man damit Kunden? Nein. Aber das scheint niemanden ernsthaft zu stören. Gelegentlich gibt es paar Nebelpetarden und Gefechte auf Nebenschauplätzen (Kombi-Angebote, die für viele Leute nichts taugen), aber das war's.

Ich mein, wenn ich bei Sunrise auf die Webseite schaue: Das billigste Mobile-Abo kostet Fr. 40.- im Monat. Sind die bekloppt? Kein Wunder bleibe ich lieber bei Swisscom, wenn ich nur 12 Franken bezahle.

Anonym hat gesagt…

Ich glaube Ralf hat es richtig erfasst indem er sagt dass Swisscom sich jeden Preis erlauben kann und Kunden sowieso treu bleiben. Es ist interessant zu lesen wie "Anonym" bestätigt warum er bei Swisscom bleibt; weil er da nur 12 Franken für sein Abo zahlt statt 40 bei Sunrise.... Also, "Anonym" rechtfertigt damit für sich selber warum er bei Swisscom bleibt; er tut als ob es dort am günstigsten ist. Er soll sich mal den Tarifvergleich von Comparis anschauen wenn er wirklich sparen will, aber auch "Anonym" scheint nicht wirklich sparen zu wollen und lieber bei Swisscom zu bleiben.

Oban hat gesagt…

Ein weiteres Problem sind ja auch einige Vertragsbedingungen, Swisscom hat die automatische Vertragsverlängerung abgeschafft: Wiso, weil sie keine Angst haben müssen das die Kunden wechseln wollen, will hingegegen ein Orange oder Sunrise Kunde wechseln, muss er auf den richtigen Zeitpunkt warten, wenn er diesen verpasst geht es wieder ein Jahr oder er zahlt eine hohe Strafgebühr. Zudem muss man einfach sagen, der Schweizer ist ein Gewohnheitstier, läufts mal will er einfach keine Veränderung, zumal er sich auch nicht mit dem Tarifjungel einiger Anbieter beschäftigen will.

Roman Brosowski hat gesagt…

@Oban

Es gibt im Telko Umfeld eine simple Weisheit. "Wenn du am Tag X ein Abo unterschreibst, sende am Tag X+1 eine Kündigung."

Wenn Sie ein guter Kunde sind, wird sich der Telko Anbieter bei Ihnen melden, wenn das Ende des Abos bevorsteht.

Was in der Schweiz fehlt, ist ein einfaches Angebot. Tele2's BigDeal wurde ja von Sunrise schnellstmöglich nach Übernahme beendet. Gäbe es einen Krachertarif im auch im Festnetz, könnte sich etwas bewegen. Aber das traut sich keiner. Dazu bräuchte es einen neuen Player, der zu regulierten Bedingungen Vorleistungen kaufen kann. Solange die Swisscom aber im Bundesbesitz ist und somit über Dividiende indirekte Pseudo-Steuereinnahmen sicherstellen soll, wird das nicht passieren.

In DE haben sie mit der Telekomliberalisierung das Ende der Welt befürchtet. Gekommen ist eine gigantische Angebotsvielfalt. Sicherlich, bei einigen absoluten Harddiscountern geht dann auch mal was schief. Bei den anderen klappt's aber problemlos.