Sonntag, 23. November 2008

Orange:Millionen mit Taktaenderung

Mit einer Änderung der Taktung kann ein Preis erhöht werden, ohne dass der Preis erhöht wird. Der kommunizierte und verrechnete Minutenpreis bleibt gleich. Da dem Kunden jedoch mehr Sekunden verrechnet werden als bisher, erhöht sich die Telefonrechnung des Kunden.

Die Beträge für den einzelnen Kunden sind zwar eher klein, aber die Masse machts. Bei rund einer Million Privatkunden wie beim Mobilfunk-Anbieter Orange kommt einiges zusammen. Ich schätze die Mehreinnahmen auf jährlich 15 bis 30 Millionen Franken. Comparis hat übrigens am Mittwoch dazu eine Medienmitteilung verschickt (online verfügbar).

Auf der Telefonrechnung hat Orange die Änderung - die übrigens nur für Privatkunden und Abo-Kunden gilt, nicht jedoch für Geschäftskunden und für Prepaid-Kunden - mit dem folgenden komplizierten Sätzen erklärt:
ÄNDERUNG: Orange wird seine Abrechnungsmethode ändern. Dies bedeutet, dass die Gesamtdauer eines Anrufes nicht mehr für die ersten 10 Sekunden pauschal und dann sekundenweise, sondern in 10-Sekunden-Intervallen verrechnet wird. Diese Änderung tritt zum 1. November 2008 in Kraft und gilt für alle Anrufe innerhalb der Schweiz auf Fest- und Mobilfunknetze, für Anrufe auf Ihre Orange Box sowie für alle in der Schweiz getätigten internationalen Anrufe.

Der Text erweckt bei mir den Eindruck, dass Orange eine absolut unwichtige Änderung vornimmt (etwa so wie eine Adressänderung oder eine Änderung einer Telefonnummer). Dass es sich dabei um eine Preiserhöhung zwischen 0 und etwa 7 Prozent (bei 104 Sekunden Dauer pro Anruf im Schnitt, wie dies dem schweizerischen Durchschnitt entspricht) handelt, wird nicht klar ersichtlich.

Übrigens argumentiert Orange, dass sie nun die branchenübliche Abrechnungsmethode einführt. Mhhm, habe ich was verpasst. Denn
  • die Günstig-Angebote von Migros, Coop und Aldi werden sekundengenau abgerechnet (also für den Kunden die beste Abrechnungsart). Auch Orange lässt bei Prepaid-Kunden die Abrechnungsart bei sekundengenauer Abrechnung.
  • die Swisscom wendet bei den meisten Anrufen der meisten Kunden (sofern sie ein Angebot mit Liberty im Namen haben) keine Rundung an. Denn mit Natel Swiss Liberty kostet ein Anruf ins Swisscom-Handynetz und ins Festnetz 50 Rappen (bis zu einer Dauer von einer Stunde). Es wird nichts aufgerundet und der Kunde bezahlt 50 Rappen, nicht plötzlich 55 Rappen. Im 10-Rappen-Takt rundet Swisscom bei Liberty-Kunden Anrufe auf die Mobilfunk-Netze von Sunrise und Orange. Der Effekt der 10-Rappen-Taktung ist für den Kunden ungefähr der selbe wie die Abrechnungsmethode von Orange.
  • die Sunrise rechnet zwar im 10-Sekunden-Takt ab. Dies jedoch nur bei Kunden mit einem Zero, Zero Plus oder Max-Abo oder der Go-Prepaidkarten. Die Kunden mussten sich für diesen Preisplan anmelden und es wurde klar kommuniziert, dass in 10-Sekunden-Einheiten abgerechnet wird.
  • bei Sunrise telefonieren alle Kunden mit einem anderen Privatkunden-Abo oder einer Prepaid-Karte immer noch mit der gleichen Taktung wie beim Vertragsabschluss.

Es ist ein Novum in der Schweiz, dass ein Mobilfunk-Anbieter die Taktung für bestehende Kunden ändert und der Kunde damit mehr bezahlt.

Liebe Grüsse

Ralf Beyeler
Telekom-Experte www.comparis.ch

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich bin ja zum guten Glück kein Orange Kunde... Aber würde diese "Preisanpassung" füre eine vorzeitige Kündigung reichen?
Ich hoffe übrigens diese Information schafft es in die Tageszeitungen und auf die erste Seite von 20Minuten. Die Leute sollen darauf aufmerksam gemacht werden! Wenn genug Medienrummel entsteht, krebst ja Orange vielleicht wieder zurück...?
Gruss, Manu

Anonym hat gesagt…

Habe gerade gemerkt, dass die ganze Aktion auf 20Minuten Online schon seit dem 19.11. lauft. Scheinbar sind aber Orange die paar hundert Kunden die dies realisierten und daher abspringen egal... mit dem neuen Abrechnungssystem lässt sich ja so viel mehr verdienen, dass die paar Abgänge verkraftet werden :-(
Traurig, traurig. Aber die Konsumenten sind immer dijenigen die die A-Karte ziehen. Gruss, Manu

Ralf Beyeler hat gesagt…

@Manu: Ich weiss nicht, ob der Kunden die Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsauflösung haben. Ob die Änderung so stark zu Lasten des Kunden geht, dass dieser die Möglichkeit hat, den Vortrag kostenfrei per sofort aufzulösen? Das müssten Juristen abklären.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler

Anonym hat gesagt…

Da ich die "Selbstbedienungsmentalitaet" am Kunden in der Branche und auch bei Orange ziemlich gut kenne, verwundert mich eigentlich nichts. Der IT-Bereich ist nun mal - aus aktuellem Anlass muss man wohl sagen, neben der Finanzbranche - das Sinnbild fuer die Akzeptanz von White-collar crimes in unserer Gesellschaft.
Da schaue ich doch glatt auf meine aktuelle Mobile-Rechnung von Orange, welche mir fuer die letzte Periode freundlicherweise ein paar Fraenkli fuer Internet-Verbindungen verrechnen. Bloed nur, dass ich seit einem halben Jahr ein nicht internet-faehiges, altes Mobile-Telefon benutze...
Und nein, ein Versehen ist das nicht. Keine Sorge ich verurteile da niemanden ungerechtfertigt.