Sonntag, 9. November 2008

Glasfaser-Rummel! Für Kabelanbieter doch ein Thema

In aller Welt sind die Anbieter dabei, die Glasfasernetze zu planen. Teilweise wurde sogar bereits mit dem Bau von Glasfasern in die einzelnen Wohnungen begonnen. Nur für die Schweizer Kabelnetz-Betreiber - so ihr Branchenverband Swisscable - ist der "Glasfaser-Rummel" kein Thema. Dies schreibt die Swisscable jedenfalls in ihrer Medienmitteilung unter dem Titel "Kabelunternehmen können auf den Glasfaser-Rummel verzichen".

Das ich mit der Propaganda-Maschine Swisscable so meine Mühe habe, sollte inzwischen bekannt sein. Ich schätze lieber sachliche Argumente statt unsachlicher Propaganda.

Swisscablecom-Medienmitteilung: Die bestehenden Netze der Schweizer Kabel-TV-Unternehmen sind für die Zukunft gut gerüstet. Dies ist das Fazit einer Studie, die an der heutigen Jahrestagung von Swisscable in Bern vorgestellt worden ist. Ein Grund dafür ist, dass es sich bei Kabelnetzen um sogenannte Hybrid-Fiber-Coax-Netze (HFC-Netze) handelt. Es sind also Netze, die bereits heute zum grössten Teil aus Glasfasern bestehen. Nur gerade die letzten paar hundert Meter von den Netzknoten bis ins Haus bestehen nicht aus Glasfasern, sondern aus koaxialen Kupferkabeln.


Liebe Swisscable, auch die Mitbewerber setzen heute bis einige hundert Meter vor dem Kundenanschluss Glasfaser-Leitungen ein. Dies ist heute üblich. Ich verstehe ja, dass die Kabelnetzer-Anbieter nicht sofort in Glasfaser-Leitungen bis zum Kunden investieren wollen. Doch deshalb so stark zu betonen, dass man Glasfaser-Leitungen im Backbone-Bereich einsetzt, ist übertrieben. Fairerweiser muss ich den gleichen Vorwurf auch Swisscom machen: Sie zählt auch VDSL zu den Glasfaser-Technologien, obwohl auch hier die letzten paar hundert Meter mit uralten Leitungen abgedeckt werden.
Swisscable: Diese Koaxialkabel sind jedoch um ein Vielfaches leistungsfähiger als zum Beispiel Telefonleitungen.
Die gesamte Kapazität eines Koaxialkabel ist leistungsfähiger als eine einzelne Telefonleitung. Das stimmt, aber es gibt einen gewaltigen Unterschied: Beim Telefonkabel gibt es zu jedem Kunden eine ganze Leitung, die der Kunde nur für sich alleine hat. Anders beim Koaxialkabel: Dort teilen sich viele Kunden die gleiche Leitung, dadurch ist die Kapazität für jeden einzelnen Kunden stark beschränkt. Dazu kommt, dass ein grosser Teil des Kabels für die ineffiziente Ausstrahlung von analogen Signalen (analoges TV, analoges Radio) verwendet wird.

Swisscable: Ein weiterer Grund für die Zukunftsfähigkeit der Kabelnetze ist deren
Ausbaufähigkeit. So können die bestehenden Glasfaserleitungen kontinuierlich näher an die Gebäude gezogen werden. Damit wird die sogenannte Zellengrösse verkleinert, die Koaxialkabel-Strecke zum Haus verkürzt, und die Datenrate pro Anschluss kann bei Bedarf zusätzlich erhöht werden.

Nichts anderes macht zum Beispiel Swisscom. Dies ist ein übliches Vorgehen, um die alten, längst abbezahlten Kabel weiterverwenden zu können, statt die Kabel durch teurere Kabel ersetzen zu müssen. Ich bezweifle jedoch, dass dies ein Grund für die Zukunftsfähigkeit der Kabelnetze ist. Mittelfristig werden Glasfaser-Kabel bis in die Wohnung der gängige Anschluss an die Kommunikationswelt sein. Sowohl Telefon-Kupferkabel wie Kabel-Koaxialkabel werden mittelfristig keine Bedeutung mehr haben, weil die Kapazität viel zu gering ist.

Die Einführung des neuen leistungsfähigen Übertragungsstandards DOCSIS 3.0 (Data Over Cable Service Interface Specification) erlaubt – zusätzlich zu den bestehenden Broadcast-Diensten (analoges und digitales TV) – das Anbieten von Datenraten von einigen hundert MBit/s. Die in Entwicklung stehenden neuen Modulationsverfahren für DVB-C2 versprechen zudem weitere Effizienzsteigerungen in den kommenden Jahren.


Inhaltlich Zustimmung.
Ausbaufähigkeit bedeutet gemäss der präsentierten Studie auch, dass auf den bestehenden Kabelnetzen verschiedene Übertragungstechniken eingesetzt werden können. So wäre ein Umstieg von der bewährten Rundfunktechnik (Broadcast) auf eine Internet-Protokoll (IP) basierte Übertragung bei Bedarf möglich. Zudem können die Techniken Rundfunk und IP auf Kabelnetzen auch gleichzeitig für jeweils spezifische, aber auch kombinierte hybride) TV-Dienste eingesetzt werden.

Auch hier Zustimmung. Wobei es mich erstaunt, dass Swisscable dies so stark betonen muss. Wenn eine Set-Top-Box einen Internet-Anschluss hat (und die Box auch Zugang zu den entsprechenden Dienstleistungen ermöglicht), kann die Box Daten aus dem Internet empfangen. Das über das Kabel-TV-Netz Internet möglich ist, weiss heute praktisch jeder.
Swisscable: Das Gebot der Stunde sei Gelassenheit, kommentierte Swisscable-Präsident Hajo Leutenegger die Studie: „Kabelnetzunternehmen können auf den Glasfaser-Rummel verzichten.“ Gleichzeitig sei es zentral für die Branche, die bestehenden Kabelnetze kontinuierlich weiterzuentwickeln. Denn nur so könne die Leistungsfähigkeit auch in der weiteren Zukunft garantiert werden. „Dies ist auch deshalb so wichtig, weil die Konkurrenz weiter zunehmen wird“, sagte Leutenegger.

Hier mein ich ganz anderer Meinung. Die Kabelnetz-Betreiber können es sich nicht erlauben, auf den Glasfaser-Rummel zu verzichten. Im Gegenteil: Wenn sie mittelfristig nicht bedeutungslos werden wohlen, müssen Sie eine Glasfaser-Strategie entwickeln! Dies heisst jetzt nicht, dass jeder Glasfaser-Leitungen in alle Wohnungen legen soll. Doch sollten auch die Kabelnetze sich Gedanken dazu machen, wie sie Glasfaser-Leitungen in Zukunft nutzen wollen.

Übrigens: Es gibt bereits Kabelnetz-Anbieter, die die Bedeutung der Glasfaser-Leitungen begriffen haben und bereits Glasfaser-Leitungen verlegen.

Wie leistungsfähig das Koaxialkabel wirklich ist, habe ich vor kurzem selber bemerkt: Nur gerade 40% der bezahlten Leistung konnte über das Kabel übertragen werden. Wie das wohl sein wird, wenn ein paar Kunden wirklich die Angebote mit 100 MBit/s oder mehr nutzen. Dann kommen die anderen Kunden wahrscheinlich gar nichts mehr ins Internet. Oder die Kunden, die für 100 MBit/s bezahlen, erhalten nur einen Bruchteil der bezahlten Leistung.

Ich persönlich hoffe, dass es bald echte Konkurrenz geben wird und ich nicht mehr auf das miserable und zu teure Monopol-TV-Angebot von Cablecom angewiesen sein werde.

Liebe Grüsse



Ralf Beyeler
Telekom-Experte www.comparis.ch

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